Flüchtlinge als Geschäftsmodell // www.rbb-online.de

Etwa die Hälfte der Flüchtlingsheime in Berlin werden mittlerweile von Privatunternehmen betrieben. Denn das Landesamt für Gesundheit und Soziales hat nicht die Kapazitäten, die Flüchtlingsversorgung komplett zu stemmen. Einige der Privatbetreiber haben in der Vergangenheit allerdings für negative Schlagzeilen gesorgt. Von Oliver Soos / Ein Rechercheprojekt von Inforadio und Zeit online.

Die Firma Gierso Boardinghaus ist einer der größten Player im Berliner „Flüchtlings-Business“, spezialisiert auf große Einrichtungen mit rund 200 Bewohnern. Ein einträgliches Geschäft, denn das Land zahlt pro Flüchtling. Sechs Heime betreibt die Gierso in Berlin. Marina Naprushkina von der Flüchtlingsinitiative „Neue Nachbarschaft“ steht mit der Firma auf Kriegsfuß. Sie hat Anzeige gegen die Gierso erstattet: „Das ist eine Firma, die auf Profit orientiert ist, und das darf bei der Flüchtlingsarbeit nicht passieren. Das ist kein Geschäftsmodell.“

Überforderte Städte – Kein Platz für Flüchtlinge?
Deutsche Großstädte sind von den hohen Flüchtlingszahlen besonders betroffen. Nach einer gemeinsamen Recherche von Inforadio und ZEIT ONLINE in den Städten Berlin, Hamburg und Köln gibt es derzeit keine Lösungen, wie Flüchtlinge schnell und angemessen untergebracht werden können. Berlins Integrationssenatorin Kolat räumte ein, dass es schwierig sei, im selben Tempo neue Unterkünfte zu errichten, wie die Zahl der Flüchtlinge wachse. Sozialsenator Czaja sieht in der Hauptstadt allerdings durchaus Fortschritte bei der Unterbringung von Flüchtlingen.
„Neue Nachbarschaft“ kümmert sich um Flüchtlinge

Marina Naprushkina und die Ehrenamtlichen der „Neuen Nachbarschaft“ kümmern sich um die Bewohner aus dem Gierso-Heim in der Levetzowstraße in Berlin-Moabit. Drei Mal pro Woche treffen sie sich im Café „Neue Heimat“, zum Deutsch-Stammtisch. 30 Flüchtlinge sind heute gekommen, einer von ihnen Jafar aus Afghanistan. Er hat eine schwangere Frau und ein kleines Kind.

Um die Familie kümmert sich Anna-Lisa Seifert. Jafar nennt sie Oma, denn sie hat schon einen Kinderwagen für das Baby besorgt: „Ich kümmere mich pseudo-Oma-mäßig um das zukünftige Kind. Ich kriege mit, dass Jafar jede Woche mindestens ein- oder zweimal hierher kommt und uns fragt, wenn er Hilfe braucht: Bei Besuchen beim LaGeSo, bei der Wohnungssuche. Mit diesen Fragen würde er sich sicherlich nicht an uns wenden, wenn jemand anderes sich darum kümmern würde.“

Flüchtlingsheime sind auf Ehrenamtliche angewiesen

Fast alle Berliner Flüchtlingsheime sind auf die Hilfe von Ehrenamtlichen angewiesen. Auch die Gierso arbeitete in den ersten Wochen mit der Moabiter Initiative zusammen. Doch Ende 2013 kam es zum Streit. Die Initiative beschwerte sich über Mängel im Heim: verdreckte Toiletten, kaputte Duschkabinen, zu wenige Waschmaschinen, fehlende Kinderbetreuung.

Marina Naprushkina machte damals Druck: „Als wir erst einmal die Gierso-Mitarbeiter vor Ort auf die Missstände angesprochen haben, und dann auch die Geschäftsführung, passierte erst einmal gar nichts. Dann haben wir tatsächlich gesagt: Wenn nichts passiert, dann müssen wir mit der Information an die Öffentlichkeit treten.“

Und das sorgte mächtig für Ärger – für beide Seiten. Die Gierso erteilte der Flüchtlingsinitiative Hausverbot und erntete dafür Negativ-Schlagzeilen in der Presse. Die ehemalige Schule in der Levetzowstraße wurde bekannt als eines der schlimmsten Flüchtlingsheime in Berlin.

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