Situation in den Notunterkünften beschäftigt das Abgeordnetenhaus

30.1. – Die Fraktionen der Linken und der Piraten haben im Abgeordnetenhaus das Organisationsversagen des LAGeSo und die mangelhafte Kontrolle privater Heimanbieter auf die Tagesordnung gesetzt, und einen Heim-TÜV vorgeschlagen, der jetzt im Sozialausschuss diskutiert wird.

Oliver Höfinghoff (Abgeordneter der Piraten) dazu in seiner Rede: „Die Zustände in manchen Berliner Flüchtlingsunterkünften sind einfach unhaltbar. Als besonders schlecht müssen hier – ich möchte sie mal namentlich erwähnen – die Motardstraße und die Levetzowstraße hervorgehoben werden, die unserer Meinung nach sofort geschlossen gehören. Zudem gibt es überfüllte Heime, Notunterkünfte mit Substandards, Heime, in denen Bewohnerinnen durch rassistische Übergriffe gefährdet sind, und so weiter und so fort. Sozialsenator Czaja interessiert sich bekanntlich nicht sonderlich für die Zustände in den Flüchtlingsunterkünften. Am liebsten gibt er das ungeliebte Thema an seinen Sozialstaatssekretär ab, und alternativ herrscht eben Schweigen im Walde. Wir haben schon lange genug von der unzureichenden Informationspolitik des Senats zur Situation in den Flüchtlingsunterkünften. Parlamentarische Anfragen werden so ausweichend wie möglich beantwortet, gerade so spitzfindig, dass man es nicht als glatte Lüge bezeichnen kann.

Meine Fraktion war in zahlreichen Unterkünften und hat Einsicht in die Betreiberverträge zu einzelnen Unterkünften genommen. Darin haben wir erschreckende Dinge sehen und lesen müssen. Die Mindeststandards werden vielerorts nicht umgesetzt, denn das für die Unterbringung zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales ist heillos überfordert. Die Behörde ist unterfinanziert, unterbesetzt für die Aufgabe, die sie derzeit zu bewältigen hat. Es werden Heime ohne schriftliche Verträge belegt, wodurch der Senat sich in Abhängigkeit von privaten Betreiberfirmen begibt, denen zusätzliche Gewinne ermöglicht werden, wenn sie bei den Standards auf Kosten der Flüchtlinge sparen. Die Einhaltung der Mindeststandards wird durch das LAGeSo einfach nicht kontrolliert, durchgesetzt oder sanktioniert, was notwendig gewesen wäre. Es fanden in der Vergangenheit keine Prüfungen vor Ort statt – keine! Für die Betreiber bestand kein Anreiz, sich an die verpflichtenden Mindeststandards zu halten.
 
Das Land sucht sich als Geschäftspartner ohne jegliche Ausschreibung oftmals windige private Betreiberfirmen aus, die fett im Unterbringungsgeschäft von Senioren und Obdachlosen und Flüchtlingen aktiv sind und daraus dicke Profite erzielen. Diese Betreiber sind resistent gegen Kritik, schmeißen kritische Initiativen aus ihren Unterkünften raus und versuchen, Kritikerinnen und Kritiker wie den Flüchtlingsrat mit juristischen Mitteln mundtot zu machen. Das hatten wir gerade erst. Die existierenden Mindeststandards sind unzureichend und bleiben an vielen Stellen äußerst unkonkret. Wir wollen sie konkretisieren und einen höheren Standard in Berlin erreichen. Dazu haben wir heute diesen Antrag eingebracht. Wir wollen mehr Wohnfläche für die Bewohnerinnen und Bewohner, mehr Personal für die Beratung und die Betreuung der Heimbewohnerinnen und die Etablierung von Heimbeiräten, damit die Bewohnerinnen und Bewohner künftig auch ein Wort mitzureden haben, denn bislang werden sie überhaupt nicht gefragt.
 
Wir wollen außerdem eine effektive Kontrolle der Berliner Flüchtlingsunterkünfte. Das Bundesland Sachsen, wie eben schon angesprochen, hat gute Erfahrungen mit der Einrichtung des Heim-TÜVs gemacht. Diese Stelle kontrolliert die Flüchtlingsunterkünfte nach einem transparenten, vergleichbaren Prüfverfahren und veröffentlicht die Ergebnisse abschließend. Genau das wollen wir in Berlin auch! Wir fordern den Senat außerdem auf, sich für eine bundesgesetzliche Verankerung von Mindeststandards auf höherem Niveau bei der Unterbringung von Asylsuchenden einzusetzen. Die Zustände im schwarz regierten Bayern und im grünrot regierten Baden-Württemberg finden wir ebenfalls skandalös. Vielleicht mag sich Sozialsenator Czaja abschließend noch zu dem Komplex äußern. Das Recht dazu hätten Sie ja. Ich würde das Pult jetzt jedenfalls freimachen. – Danke schön!“

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